24.9.04

Sonne tanken

So herbstlich wie es momentan ist, bleibt einem kaum etwas anderes übrig, als sich nach einer Alternative zu einem das Sparschwein brechen lassenden Urlaub in einer revolutionsgeplagten Bananenrepublik umzusehen.

Nicht, dass ich etwas gegen Revolutionen hätte, aber so mittendrin zu sein ist doch etwas anderes. So könnte in einem solchen Falle z.B. auf einer Urlaubspostkarte stehen:

Hallo Mama,

einen lieben Gruß aus Kackahiti. Die Hotels sind hier
gut in Schuss. Das große Feuerwerk der Artillerie kommt immer näher, was bei uns Urlaubern eine knallige Stimmung erzeugt.
Gestern wurde sogar der Mann vom Zimmerservice befördert und ist jetzt Staatspräsident.
Hätten wir ihm doch vorher mehr Trinkgeld gegeben!

Liberacion o
morte,

sie und ich

Um also solche Urlaubskarten zu vermeiden, musste ich mir fix etwas anderes ausdenken um nicht der herbstnahen Depression zu verfallen.

Nach reiflicher Überlegung wurde das Auto bestiegen und es ging nach vielen Jahren der Abstinenz ab zu meinem lokalen Sonnenbankdealer.

Wenn ich bloß gewusst hätte, was sich in all den Jahren verändert hat…

Vor mir steht an der Ladentheke eine etwas zu gut gebräunte, ca. 20 jährige Blondine, die eine verteufelte Ähnlichkeit mit dem gestern Abend von mir verspeisten Grillhähnchen hat.

Ich sage ihr, sie solle mir bitte ne Bank für Amateure zuweisen und schon habe ich sie:

Die neue Ergoline600!

Laut Hähnchen brauche ich mich nur drunter legen, das obere Teil der Bank runterziehen und schon geht alles von alleine. Cool! Dinge die von alleine gehen liegen mir doch am meisten.

Ich gehe in Raum Nr.4 und mache mich ne Runde nackig. Plötzlich fällt mir ein, dass ich neulich im Internet Spannerbilder gesehen habe, die durch ein Loch in den Wänden eines Sonnenstudios gemacht wurden. Klamotten wieder an und die Kabine gründlich durchsucht!

Noch immer mit einem mulmigen Gefühl strampele ich aus meinen Klamotten wieder raus, lege mich unter die Bank, ziehe das obere Teil wie angewiesen runter und warte.

Nichts tut sich…

Ich warte weiter und lausche den Klängen der Deutschland sucht den Superstar CD, welche mir zur Förderung des Unwohlseins über die bankinternen Lautsprecher aufgedrängt wird.

Nichts tut sich…

Ich bekomme ein ganz flaues Gefühl, wie ich da so nackig unter dem dunklen Toaster liege und in mir kommt der Gedanke auf, dass das dämliche Grillhähnchen an der Theke mich ganz schön verarscht hat. Von wegen geht von alleine an! Die steht jetzt bestimmt gerade vorne mit ihren fertig gegrillten Hähnchenkolleginnen und alle zusammen pinkeln sie sich in die Hose vor Lachen! Hahaha, den haben wir aber ganz schön dran gekriegt, den blöden Schneider. Der liegt doch jetzt tatsächlich nackig da drin und wartet das das Ding von alleine an geht.

Haha, da machen wir doch erst mal ein Foto durch das Loch in der Wand, dass er bei seiner oberflächlichen Suche nicht gefunden hat!

Ich will gerade wieder aufstehen und die Tante mal so richtig zusammen scheißen, da spricht Gott in Form einer beruhigenden, weiblichen Stimme zu mir:

Die Besonnung wird gestartet. Vielen Dank, dass sie sich für eine Ergoline600
entschieden haben.

Auch wenn ich bisher dachte Gott wäre ein Kerl, war´s mir wurscht und ich war ihr unheimlich dankbar mich aus dieser Situation gerettet zu haben.

Gott war zudem an diesem Tag unheimlich gesprächig und hat auf jeden Tastendruck, den ich auf die Steuerung der Bank ausübte sofort reagiert. So kam folgendes Gespräch zwischen ihr und mir zustande:

Schneider: Hallo Gott, schön dass du mir gerade den Arsch gerettet hast. Hätte mich sonst ganz schön blamiert.

Tastendruck

Gott: Gesichtsbräuner minus.

Schneider: Aha, wir sind heute also ein wenig mathematisch drauf?

Tastendruck

Gott: Lüftung plus.

Schneider: Jaha, recht hast du. Lüftung kann man nie genug haben. Ist ja auch ganz schön heiß hier drunter!

Tastendruck

Gott: Gesichtsbräuner plus.

Schneider: Gleich habe ich aber die Schnauze voll mit dem ewigen Hin und Her! Mal weniger Gesichtsbräuner, mal mehr Gesichtsbräuner. Ich glaube fast, dass die Dame mal wieder ihre Tage hat und ich es jetzt ausbaden muss!

Gott war beleidigt! Das ging zu weit! Umgehend schaltete sie die neue Ergoline600 ab und sagte in einem noch halbwegs freundlichen Ton:

Ihre Besonnung ist beendet. Vielen Dank für ihren Besuch.

Hmmm, freundlich aber bestimmt wurde ich also von ihr rausgeworfen.
Somit stieg ich von der Bank, zog mir meine Klamotten wieder an und wollte das Studio verlassen.

Im Rausgehen traf ich noch mal kurz auf das Grillhähnchen und sie fragte mich, ob es Probleme unter der Bank gegeben hätte.

Ich schaute sie nur kurz an, entdeckte mit viel Phantasie in ihr den Apostel Matthäus, sagte

Gott sei mit dir, mein Kind!


Und suchte das Weite…

22.9.04

Ruhe jetzt!

Es ist Sonntagabend und sie fragt mich wann wir uns denn das nächste mal wieder sehen werden. Ich denke kurz nach, mir fällt auf, dass wir uns auf Grund geographischer Umstände ja nicht ganz so häufig sehen und sage spontan:

Dienstag! Wie sieht´s aus? Ich komme bei Dir vorbei und wir machen uns nen schönen Abend!

Hätte ich in diesem Moment geahnt, was für eine Panik ich mit dem bloßen Wort „Dienstag“ bei ihr auslöse, hätte ich jeden anderen Wochentag gewählt und eventuell sogar noch Tage wie Drustag oder Moschwoch dazu erfunden.

Dienstag kommt Sex and the City!!!
Gedankeneinwurf von mir: Ich hab Dich auch lieb und freue mich auch Dich zu sehen!

Als Mann verstehe ich nicht so ganz den Grund der Panik, da Dienstags mit Sicherheit auch eine ganze Reihe anderer Sendungen im Fernsehen kommen und ich die vergangenen Dienstage auch ohne Survivalkurs hervorragend am Rechner oder mit nem Buch überlebt habe.

Aber Sex and the City ist anders und schon ganz und gar für die Damenwelt (Aussage: Da könnt ihr Männer noch ne ganze Menge über uns lernen!). Sex and the City ist wichtig und darf nicht verpasst werden.

Ich schwöre mich ruhig zu verhalten und artig mitzuschauen und werde darauf hin zur Audienz gebeten.

Dienstags setze ich mich also in den Wagen, fahre zu ihr und der Tag beginnt endlich schön zu werden. Während sie kocht, zeichne ich dumme Bildchen mit kleinen blinden Maulwürfen drauf, nette Musik schallt aus der Anlage, die erste Flasche Wein wird geköpft und die ein oder andere Kerze brennt auch schon.

Herr Schneider entspannt!

Der Tisch wird gedeckt, das super lecker duftende Essen steht vor uns, sie ist da, ich bin da und…

Herr Schneider entspannt!

Wir beginnen zu essen, stoßen mit nem Glas Rotwein an und ich stelle wieder einmal fest, wie schön es ist bei ihr zu sein und…

Herr Schneider entspannt!

Scheißeeeeeeeeeeeeee!

Es ist 21.15h, Panik! Die Dame springt hoch, reisst ihren Teller und ihr Glas mit sich und ich bin mir ziemlich sicher, dass in diesem Moment der Russe angreift!

Während ich damit beginne Deckung unter dem Esstisch zu suchen und darüber nachdenke, wie ich am besten die Alliierten über den Einmarsch des ehemaligen Feindes informiere, schnalle ich gaaaanz langsam was passiert ist:

Sex and the City fängt an und beinahe hätte man eine kostbare Minute Sendezeit verpasst!

Das Essen wir jetzt fix vom Esstisch an den Couchtisch verlagert und bevor ich irgendetwas dagegen tun kann stecke ich schon mittendrin in diesem kleinen Abenteuer, welches mir ganz neue Perspektiven an der mir sonst so vertrauten Frau eröffnen sollte.

Gegen Mitte der Sendung (es ging diesmal übrigens ausnahmsweise um Sex und Schuhe) kommen Freundin Bratze und mein Leidensgenosse Cruiser rein. Bratze schwenkt umgehend ohne ganz so viele Worte zu verlieren in den Sessel ein und vertieft sich in Bruchteilen einer Sekunde in die hypnotisch wirkende Sendung.

Cruiser hätte gerne etwas gesagt, bekommt aber schon während des ersten Versuchs den Mund zu öffnen die Antwort:

Ruhe jetzt!

Jepp, es ist Sex and the City Zeit und die eigentliche Funktion der Männer während dieser Sendung wird mir klar, als mir aus der Fernsehferne ein leeres Weinglas entgegen gestreckt wird mit dem Kommentar: Hmmm!

Artig gehe ich also los, hole die Weinflasche und schenke nach.

Für die nächsten Folgen an den kommenden Dienstagen werde ich dann wohl noch ein paar Häppchen vorbereiten und schauen, dass der Wein auf entsprechende Temperatur runter gekühlt ist.

Job ist eben Job und immerhin ist es Dienstag…

21.9.04

Das hat mir noch gefehlt

Ab und zu tauchen Dinge in deinem Leben auf, bei denen du dich fragst, wie du vorher ohne sie zurecht gekommen bist. Dinge, die einen enorm hohen Stellenwert einnehmen und aus dem gesellschaftlichen Leben nicht mehr wegzudenken sind.

So schaue ich die Tage ein wenig fern und zappe durch die Programme. Schließlich lande ich bei einer Heimwerkersendung auf RTL2 und muss mit Entzücken feststellen, dass die Redakteure der Sendung endlich herausgefunden haben, was ich wirklich brauche:

Die Titelmelodie der Sendung als Klingelton für mein Handy!

Geil, denke ich. Darauf war ich ja schon immer scharf und als ich bei meiner Einschulung gefragt wurde, was ich mir denn fürs Leben vorgenommen habe, sagte ich schon damals:

Irgendwann lade ich mir mal die Titelmelodie einer RTL2 Heimwerkersendung als Klingelton auf mein Handy. Dann weiß ich einfach, dass ich es im Leben zu was gebracht habe.

Während ich also diese Sendung schaue und vor lauter Freude über den genialen Klingelton noch immer aussehe wie Thomas Gottschalk, als er bei einer seiner Sendungen auf den Hintern von Jennifer Lopez schauen durfte, beginnt der Werbeblock.

Plötzlich bin ich mir gar nicht so sicher, dass der Download meines polyphonen Etwas die richtige Entscheidung war, da eine Firma namens Jumbo (oder so ähnlich) gleich ein ganzes Monatspaket mit Klingeltönen anbietet. Da könnte ich mir ja jeden Tag einen neuen Klingelton auf mein Handy zaubern und somit endlich Zufriedenheit, innere Ausgeglichenheit und Freude in mein Leben bringen! So viele neue Lebensfeatures für lumpige 7,99 €!

Wer bis dahin noch immer nicht mit seinem Leben zufrieden ist, kann sich ja noch eins der tollen neuen Handylogos des selben Unternehmens bestellen, womit auch gleich noch ein wenig Farbe in´s Spiel kommt.

Ich jedenfalls habe mich für das volle Programm entschieden. Ich lasse mir jetzt täglich neue Klingeltöne, Hintergrundbilder und vor allem Spiele auf mein durch eine Auswahl von 234 auswechselbaren Oberschalen in den coolsten und hippsten Styles auftunebares Nokia Handy schicken. Wenn ich dann zwischendurch noch Zeit habe, mache ich mir über einen von 523 SMS-Dating-Channels einen kleinen Seitensprung klar, während ich meiner Freundin automatisiert ein wunderbar romantisches Gedicht auf ihr Handy schicken lasse, weil ich mittlerweile zu verblödet bin, ihr in eigenen Worten zu schreiben, dass ich sie lieb habe.

Danke, Industrie für diese neuen Specials in meinem Leben!

P.S.: Selbstverständlich gibt´s von diesem Blog auch bald ein paar mega-coole Hintergrundbilder für Dein Handy zum download...

19.9.04

Bedürfnisse

Es ist Freitag, geiles Wetter und alle Leute sitzen in ihren Gärten und grillen.

Alle? Nicht alle! Eine kleine Horde von ca. 550.000 Bundesbürgern macht sich auf den Weg um meine Fahrt von Bochum nach Düsseldorf ein wenig spannender und komplizierter zu gestalten.

Wie nett von ihnen!

Ich setze mich also in meinen Wagen, rücke die Sonnenbrille zurecht, schmeiße Regulate von Warren G. & Nate Dogg in meinen CD-Wechsler und fange schon einmal mental damit an das kommende Wochenende zu genießen.

Mein Wagen passiert die Auffahrt auf die A40 und ich stelle mich gewohnheitsgemäß zu den anderen Leuten in den Stau. Theoretisch ist dies die Schlange, in der man anstehen muss um zur A52 bei Essen zu kommen und als Ruhrgebietler weiß man ziemlich genau wie lange man von Bochum bis Essen-Frillendorf im Stop-and-Go braucht.

Während wir also alle gemächlich nach Essen dümpeln und die Welt eigentlich ok sein könnte, ich parallel schon einmal den Ablauf des Abends durchgehe, mir per Handy ein Hörbuch vorlesen lasse und mindestens 2 Bilder male (nachdem ich den Wagen von innen einer Intensivreinigung mit ALDI´s Mikrofasertüchern unterzogen habe), fällt mir etwas unheimlich wichtiges ein:

Ich muss mal!

Bochum-Stahlhausen bietet mir die erste Möglichkeit. An der neu eingerichteten polnischen Tankstelle könnte ich mein Tröpfchen loswerden, befinde mich aber gerade auf der linken Spur und setze mit Tempo 20 zum Überholmanöver an. Da das Projekt „Reise nach Düsseldorf“ also gerade so gut läuft, beschließe ich dem Urindrang zu trotzen und weiter zu fahren. Immerhin sind es nur noch ein paar Kilometer bis zur A52 und dann kann ich ja richtig aufs Gas treten.

Kurz vor der Auffahrt zur A52 komme ich mit mittlerweile 30 km/h an 2 (wahrscheinlich noch nie benutzten) Starenkästen vorbei, welche für mich mittlerweile als Tor zur 52 einen richtigen Symbolcharakter haben. Jetzt ist es nicht mehr weit, gleich kann ich Gas geben, in 20 Minuten bin ich in Düsseldorf, ich muss pinkeln wie ein Elch…

Ich fahre auf die 52, die Bahn teilt sich in 2 Spuren, ich gebe Gas - jawoll 140 km/h Tendenz steigend - und Bremse ab. Eine eventuell südanatolische Dame gibt ihrem Golf 3 Family Edition nämlich gerade die Sporen und fährt vor mir mit 110 den Berg hinauf. Es stört sie auch in keinster Weise, dass der LKW neben ihr ne ganze Ecke schneller ist und sie mir dabei die linke Spur versperrt. Vielleicht fällt es ihr auch nicht unbedingt auf, da sie gerade intensiv in ein Telefongespräch verwickelt ist, bei welchem ich auch ungern per Lichthupe und/oder Drängeln stören möchte.

Ich muss…

Kurz hinter Essen sind sämtliche Geschwindigkeitsbeschränkungen aufgehoben und die gute Frau vor mir erkennt, dass es vielleicht endlich mal an der Zeit wäre rechts rüber zu fahren.

Sie zieht auf die andere Spur, ich freue mich, sie sieht in ca. 3 km Entfernung einen LKW, ich freue mich noch immer, sie zieht vorsichtshalber mal wieder auf die Linke, ich bremse (sonst hätte sie mich wohl ein klein wenig gerammt). Mir wird eins mal wieder glasklar:

Ich muss…

Weiter 10 Minuten später habe ich es endlich geschafft. Der Family Edition Golf ist nicht mehr zu sehen (wahrscheinlich weit hinter mir) und ich kann endlich auf Grund der freien Bahn wieder auf 200er Marke beschleunigen um endlich aufs Töpfchen zu kommen.

Das hätte wahrscheinlich auch gut funktioniert, wären da nicht meine neuen Freunde vom Opel Corsa Club Ruhrgebiet in Erscheinung getreten, welche mit 4 Leuten in einem 1,2 Liter Corsa fröhlich feiernd auf der linken Spur unterwegs gewesen wären.

Der Wagen war ein Bild für die Götter. Tiefer gelegt auf jeden Fall, auf der Heckscheibe der Clubaufkleber, Heck- und hintere Seitenscheiben selbstverständlich mit blasenwerfender, selbstklebender Tönungsfolie beklebt und ein Auspuffendrohr, vor dass man ein Gitter hängen müsste, damit Obdachlose nicht auf die Idee kommen darin zu übernachten.

Alles in allem war dieses spochtliche Gefährt mit heftigen 110 km/h zwischen mir und der Toilette und eins sei mal klargestellt:

Ich musste...

Jetzt war mir alles scheißegal. Die rechte Spur wurde zur Überholspur erklärt und zügig wurde der Corsa überholt. Erst hat der Fahrer der Jungs wohl gedacht „mit mir nicht“ und hat mal kräftig Gas gegeben. Bei 135 war aber Feierabend und es wurde hupend protestiert.

Mir egal, Hautsache ich komme auf den Pott!!!

Mit 210 Richtung Düsseldorf, mit 210 Richtung gelobtes Land, mit 210 Richtung Toilette.

Bei der Einfahrt nach Düsseldorf ist es dann passiert: Das Mörsenbroicher Ei, theoretisch die Zufahrt zur Stadt war verstopft. Stau und kein weiterkommen. Der Urin stand mir mittlerweile in den Augen und ich hätte ihn ausheulen können. In solchen Situationen beginnt man zu überlegen, wie man die Last endlich loswerden könnte und es entwickelt sich ein MacGywer ähnliches Denken.

Die nächsten 45 Minuten verbrachte ich mit folgenden Theorien:

- Ich könnte versuchen durch die leicht geöffnete Autotür zu pinkeln, während ich auf der linken Spur stehe.

- Ein leerer Ölkanister befindet sich in meinem Kofferraum, welchen ich als Urinflasche benutzen könnte.

- Die Polizei (mein Freund und Helfer) müsste eigentlich gesetzlich dazu verpflichtet sein, mich in den neben mir im Stau stehenden Bulli pinkeln zu lassen.

- Ich lasse mein Fahrzeug stehen, renne zur nächsten Toilette und kaufe mir irgendwann wenn die Kohle wieder reicht ein neues Auto.

Alles in allem schaffte ich es doch noch bis zur nächsten Tankstelle kurz hinter dem Mörsenbroicher Ei, rannte in das Kassengebäude, presste auf meine Atmung achtend ein „könnte ich bitte den Toilettenschlüssel haben“, wankte mir fast in die Hose pinkelnd zur Klo und

Jaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa!!! Das war besser als Sex!!! Das war mein persönlicher urinaler Orgasmus!!!

Jeder von Euch, der schon einmal in einer ähnlichen Situation war, kann mir meinen freudigen Ausbruch bestimmt nachfühlen.

All jene von Euch, die allerdings vor haben in der nächsten Zeit die A40 und die A52 zu befahren sollten sich folgendes merken:

Scheißt auf die Sonnenbrille, lasst Euch gute Musik am Popo vorbei gehen, kauft Euch kein schnelles Auto (es bringt Euch eh nichts), aber geht vorher aufs Klo!!!

10.9.04

Kaltakquise

Das Leben könnte so schön sein, müsste man sich nur auf grafische Dinge konzentrieren während einem die Aufträge ins Haus flattern wie die Brathähnchen dem glücklichen Schlaraffenlandbewohner in den Mund.

Da sie dies aber bekanntlich kaum von alleine machen, habe ich mich aktuell mal wieder gezwungen gesehen das Ding selbst in die Hand zu nehmen.

Morgen mache ich Kaltakquisetag. Da nehme ich den Telefonhörer in die Hand und dann rufe ich die potenziellen Kunden an. Wie der Lump am Stecken werde ich telefonieren!

Der nächste Tag kam und bereits beim Aufwachen fiel mir ein, dass ich gleich noch nicht anfangen kann zu telefonieren, da ich ja erst einkaufen muss, da ein voller Kühlschrank bei weitem wichtiger ist.

Während des Einkaufs versuchte ich mich darauf zu konzentrieren, wie scharf ich doch darauf bin gleich den Hörer in die Hand zu nehmen und wildfremde Leute anzurufen. Parallel machte ich im Supermarkt mein ureigenstes Souveränitätstraining, indem ich die Fleischereifachverkäuferin ne Runde stramm stehen ließ, den Marktleiter mobilisierte und mit ungeheuerer Eleganz und Energie den Liter 1,5% Fetthaltiger H-Milch aus dem Regal zauberte.

Mir war klar:

Heute bin ich der Chef im Ring! Heute ist Machertag und heute kann mir kein
Kunde widerstehen. Die krieg ich doch alle!

Zurück zu hause wurde mir klar, dass ich schon lange nicht mehr Fenster geputzt habe. Mit einem leicht schlechten Gewissen verschob ich die Akquise (da bleibt gleich noch genügend Zeit für) und machte mich ans Werk den Nebel aus meinem Sichtfeld zu entfernen.

Endlich setzte ich mich an meinen Schreibtisch, es war mittlerweile schon 15.00h und nahm den Hörer in die Hand, als mir plötzlich auffiel, wie unaufgeräumt doch mein Schreibtisch ist. Ein souveräner Macher, ein Chef, ein Mann von Welt, der Manager eines Millionenimperiums hat doch keinen unaufgeräumten Schreibtisch!

Hörer wieder zur Seite gelegt und erst mal Stifte, Bons und Unterlagen sortiert. Die Uhr tickte währenddessen weiter und wir bewegten uns auf 17.00h zu.

Nee, was habe ich nen Kaffeedurst. Bevor ich gleich mit der Telefoniererei anfange, setze ich mir noch fix nen Kaffee auf und rauche mir eine. Danach werde ich viel entspannter sein, was sich natürlich auch auf die Gespräche mit den potenziellen Kunden auswirkt!

Ihr könnt Euch gar nicht vorstellen, wie froh ich war, als es endlich 18.30h war und ich aus zeitlichen Gründen die Akquise auf den Folgetag verschieben musste. Ist aber auch unglaublich, dass alle anderen Unternehmer so früh Feierabend machen. Da kann unsere Wirtschaft ja kaum wachsen.

Eins ist jedenfalls sicher:

Montag ist bei mir Kaltakquisetag und es wird keinen neuen Eintrag ins Blog geben. Dafür bin ich doch viel zu beschäftigt!

Und wenn wir schon mal beim Thema sind: Suche noch dringend einen Kontakter, der diesen Job mit Umsatzbeteiligung bei mir übernimmt.

Mail an mich und die Freude ist groß!

2.9.04

Susi und dä Mischaäl

Der halbwegs aufmerksame Leser wird bemerkt haben, dass Herr Schneider des öfteren bei ALDI anzutreffen ist. Früher primär aus Gründen der Einkaufserledigung, heute in erster Linie zur Inspiration für das Verfassen blogtauglicher Texte.

Während ich mir vorgestern bei einem dieser ALDI Besuche zwischen Gurken und Mettenden fast in die Hose machen musste vor Lachen, viel mein Blick auf ein Päarchen, welches meinen Weg mit seinem deszent gefüllten Einkaufswagen kreuzte.

Ich beobachtete die beiden eine Weile, fand sie aber so dermaßen uninteressant, als dass ich sie wieder aus den Augen verlor.
Ca. 10 Minuten später, meine Aufmerksamkeit galt eigentlich den Kaufinteressenten für Energiesparlampen, hörte ich die energische Stimme einer jungen Mutter zwischen den Regalen:

Mischaäl! Mischaäl! Mischaaaaääl!!! Du hast dir gerade schon etwas zu trinken ausgesucht! Das reicht jetzt! Komm wir gehen!

Ich schaute mich nach dem Ursprung der Stimme um und sah nach konzentriertem Ausschau halten den Kopf einer jungen Frau knapp über den Kartoffelpüree-Packungen hervorluken.

Nun interessierte es mich ja brennend, wo der kleine freche Junge stecken mag, den sie so energisch zurück pfiff und aus diesem Grunde folgte ich ihrem Blick wie ein Pathologe einem Schusskanal.

Den kleinen Mischaäl fand ich schließlich vor den Kakaoflaschen stehend, das Objekt der Begierde noch in der Hand. Ich schaute an seinen Füßen entlang nach oben, kam irgendwann an den Knien vorbei, sah dass er am Arm ne relativ dicke Sportuhr trug und kann alles in allem sagen, daß der kleine Mischa ca. 20cm größer war als ich (entspricht dann ungefähr der 2m Marke).

Das kakaobegierige Funkeln in seinen Augen wurde ein wenig trübe, als Susi (stellte sich später heraus, daß sie so hieß) ihm verbot das kostengünstige Getränk einzupacken.


Doch, ein letztes Aufbäumen gegen die Macht des Stärkeren:

Ich habe aber Lust auf einen Kakao und würde mir den jetzt gerne mitnehmen!

Nein! Du hast schon genug!

hörte man es nur aus Richtung Kartoffelpüree zischen. Äußerst ungern stellte der keine Mischaäl den Kakao wieder beiseite, fragte sich (genau wie ich) in diesem Moment, warum er erst 35 Jahre alt werden musste, um eine solche Situation zu erleben und trottete bereitwillig hinter Susi in Richtung Kasse her.

Auf dem Weg zur Kasse kamen die beiden allerdings noch an den Süßwaren (sprich einer Art Quengelzone) vorbei. Diesmal war Mischa ne ganze Ecke schlauer als Susi. Er packte mit ihr zusammen die Waren (und nicht den Kakao) auf´s Band, wartete ruhig bis ein weiterer Kunde sich hinter ihnen postiert hatte und setzte zum Sprint an.

Gazellengleich sprang er an dem hinter ihm wartenden Kunden vorbei, war mit einem Satz bei den Chipstüten, griff sich eine als wäre es die letzte große Tüte seines Lebens und war in einem Bruchteil einer Sekunde wieder am Kassenband und somit bei Susi angekommen.

Böser Blick!!!

Doch Susi blieb cool, zu cool für Mischas und meine Begriffe. Sie wartete bis sie bezahlt hatten und während die beiden hinter der Kassenzone ihre Einkäufe verstauten konnte ich es aus rund 20m Entfernung von ihren Augen ablesen:

Wenn Mischaäl nach Hause kommt hat der Arsch aber erstmal ordentlich Kirmes. Es gibt ne Woche Fernsehverbot und die eingeschmuggelte Chipstüte isst Susi, während Mischaäl zugucken muss.

Trompetentierchen

Manchmal sind es die kleinen Dinge des Lebens, auf die man zuerst nicht kommt und wenn man sie erkennt unheimlich traurig findet.

So geschehen gestern Abend, als ich bei Melönken, Bratze und Cruiser auf dem Balkon stehe und ein gleichmäßiges Ticken höre. Da Herrn Schmiders Uhr noch von der coolen Sau-Sau von Montag repariert wird, schaue ich nach dem Geräusch und stelle fest, dass es sich dabei um Wassertropfen handelt, die vom über uns liegenden Balkon auf unser Geländer tropfen.

Im Sekundentakt fallen also diese Tropfen von oben herab und zerschellen auf dem Edelstahlgeländer.

Zuerst dachte ich mir nichts dabei, begann aber eine gute halbe Stunde später auf dem Sofa liegend an die im Biounterricht vor hundert Jahren so vielfach besprochenen Trompetentierchen zu denken.

Wir erinnern uns: Trompetentierchen, maximal 2mm groß, Süßwasserbewohner.

Plötzlich musste ich mir vorstellen, wie viele von diesen armen Kerlen in einem einzigen Wassertropfen vorkommen können und dass sie es bestimmt nicht besonders amüsant finden, mit dem Wassertropfen auf unserem Balkongeländer zu zerschellen.

Denkt man jetzt aber diese These weiter, so kommt man zu Schicksalsschlägen unglaublichen Ausmaßes! Was passiert mit dem Wassertropfen, wenn er auf dem Geländer aufkommt? Richtig! Er wird in eine ganze Reihe von einzelnen Tropfen zerteilt!

Jetzt stelle man sich vor, die Jungs (Trompetentierchen) sitzen so gemütlich in ihrem Wassertropfen auf dem Balkon über uns, kloppen ne Runde Trompetentierchenskat und wahre Freundschaften haben sich entwickelt, oder besser – eine Trompetentierchenfamilie sitzt in dem Wassertropfen (nichts Böses denkend) beim Abendessen. Plötzlich nimmt die Schwerkraft ihren Lauf und der Tropfen beginnt sich in die Tiefe zu bewegen.

Die Trompetentierchen schauen ganz verdutzt, die Karten, bzw. das Abendessen fliegen durcheinander und keiner hat ne Ahnung, was genau gerade passiert!?!

Der Tropfen zerschellt auf unserem Balkongeländer, zerspringt in viele einzelne Tropfen und die Trompetentierchen, die sich so gut miteinander verstanden haben, werden voneinander getrennt. Glaubt ihr im Ernst, dass die sich jemals wiederfinden? Nix! Die Trompetentierchenmama wird Zeit ihres Lebens damit verbringen ihre Kinder zu suchen und Heinz das etwas ältere Trompetentierchen wird seinen besten Freund (nennen wir ihn mal Stefan) unheimlich vermissen.

Derartige Schicksalsschläge werden einem nur selten bewusst, obwohl man täglich daneben steht. Doch wenn man sie erst mal wahrnimmt, macht sich eine unheimliche Traurigkeit in einem breit.

Eine Geschichte die uns alle zum Nachdenken bringen sollte…