25.8.04

Dreisisch

Bisher hatte ich eher weniger Probleme mit meinem bevorstehenden dreißigsten Geburtstag und wenn ich ehrlich bin, habe ich noch nicht einmal an ihn gedacht.

Zwar haben mir die ersten auftauchenden grauen Haare vor zwei Jahren ein wenig Kopfzerbrechen gemacht und wurden die erste Zeit auch penibel mit einer Pinzette entfernt, aber die Zahl dreißig hatte für mich keinen besonders großen Schrecken.

Je weniger ich also selber an diesen Geburtstag dachte, desto mehr half mir meine Umwelt auf die Sprünge.

Mit meiner Ma fing bereits im letzten Jahr alles an, als sie drohte dass ich an meinem runden Geburtstag nicht wie sonst um die Party rumkommen würde (normalerweise bin ich ein paar Tage vorher immer im nahegelegenen Ausland verschwunden), sondern sie schon ihre mütterlichen Pflichten wahrnähme und es (auch noch) in meiner Wohnung zu einer Mordssause kommen würde. Zum Glück war zu diesem Zeitpunkt ein Einschweißgerät bei Tchibo im Angebot, welches ich käuflich erwarb und seit einigen Woche dazu nutze, meine persönlichen Gegenstände Vakuum zu verschweißen. Schließlich kenne ich ja meine Freunde und somit meine Pappenheimer.

Den vorläufigen Gipfel hat dann eine medizinisch versierte Bekannte gebracht. Sie registrierte, dass ich seit über einem Jahr fleißig Sport mache, um meinen Körper mal wieder ein wenig in Form zu bringen. Vorsichtig wie ein Psychotherapeut brachte sie eines Abends das Gespräch auf diesen Punkt und teilte mir mit, dass meine sportlichen Bemühungen zwar sehr löblich, aber auch relativ sinnlos seien. Den Gedanken mit meinem Körper ein Ich-bin-wieder-20-Revival zu veranstalten könne ich vergessen, da dies in meinem Alter medizinisch gesehen nicht mehr möglich sei.

Paff! Das saß und hat mir im Bruchteil einer Sekunde nicht nur einen Großteil meiner sportlichen Motivation geraubt, sondern auch das Talent seit ca. 1 ½ Stunden den Bauch einzuziehen.

Rund 4 Wochen hat es gedauert, bis ich dieses Trauma mental wieder aus meinem Kopf gestrichen hatte. 4 lange Wochen der Selbstzweifel und des Zurückkehrens zur ehemaligen sportlichen Disziplin. Wer schon einmal versucht hat, sich regelmäßig selbst zur regelmäßigen sportlichen Aktivität zu zwingen, kann meine Misere bestimmt nachvollziehen.

Ich war also gerade wieder frisch im Rausch der Hantelbank und der Sixpack-Quälereien angelangt, als ich mich auf dem Sofa einer sonst sehr liebenswerten jungen (so jung auch wieder nicht!) Dame wiederfand. Zu dem Sofa, beziehungsweise dem Umfeld des Sofas gibt es (mit freundlichem Gruß an den Cruiser) bestimmt bald mal mehr zu lesen…

Ich sitze also auf dem Sofa, denke mir nichts Böses und nippe ab und zu an meiner äußerst gesunden Apfelschorle. Die Dame mustert mich eine Weile, schaut mir auf den Kopf, dann in die Augen und sagt:

Für Dein Alter hast Du aber noch ganz schön volles Haar!

Mein Kinn klappt runter und mein Hirn schaltet sich ab wie der Reaktor eines Kernkraftwerkes. Der Reaktor fährt wieder hoch und ich sehe vor meinem geistigen Auge die Seniorenresidenz am Stadtpark.

Nach diesem Vorfall habe ich mich entschlossen in den Baumarkt zu fahren, mir ein 125er „Motorrad“ zu kaufen, meine Haare länger wachsen zu lassen und mir was ganz wildes auf den Oberarm zu tätowieren. Männer in der Midlife-Crisis machen das ja für gewöhnlich und da möchte in meinem hohen Alter keine Ausnahme bleiben.